Volksinitiative, abgeschlossen Heiß umkämpft

Ort
Hamburg
Kategorie
Kohleausstieg
Die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ fordert für den Stadtstaat Hamburg den Kohleausstieg bis 2030. Schon ab 2026 soll die Fernwärmeversorgung der Stadt kohlefrei werden. Vattenfall klammert sich an seine Pfründe, doch im Gesetzesentwurf stecken ein linker und ein rechter Haken gegen den Energieriesen.

Heiß umkämpft

Sätze wie der folgende können die Welt verändern: „Der Senat soll darauf hinwirken, dass in der Freien und Hansestadt Hamburg bis zum 31. Dezember 2030 die Beendigung der Energieerzeugung aus Stein- und Braunkohle (Kohleausstieg) erfolgt.“ Die Volksinitiative „Tschüss Kohle“ fordert, ihn in das Hamburgische Klimaschutzgesetz aufzunehmen.

Gleichzeitig enthält der von EnergierechtsexpertInnen erarbeitete Gesetzesentwurf eine weitreichende Einzelmaßnahme für den Klimaschutz: Durch Wärmenetze, sofern sie sich im Besitz der Stadt befinden, soll ab 2026 keine Kohlewärme mehr transportiert werden dürfen. Im Augenblick stammt die Fernwärme noch zu 60 Prozent aus den Kohle-Heizkraftwerken Wedel und Tiefstack des Energieriesen Vattenfall. Circa 300 000 Wohnungen sind daran angeschlossen. Durch ein Verbot der Kohle-Fernwärme würden sie allesamt klimafreundlichere Heizungen erhalten.

Das Hamburger Fernwärmenetz misst insgesamt 831 Kilometer.
Das ist länger als die Strecke von Hamburg nach München

Dafür müsste die Stadt Hamburg aber erstmal die Kontrolle über ihr Fernwärmenetz von Vattenfall zurückbekommen. Dass sie sich um die Rekommunalisierung ihrer Netze bemühen soll, hat im Jahr 2013 ein breites Bündnis mit der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ per Volksentscheid durchgesetzt. Dahinter steckten einige der AktivistInnen, die nun auch „Tschüss Kohle“ anschieben. Ihre Kampagnenfähigkeit hat die Hamburger Energiewende-Bewegung damals bewiesen: Das Gas- und das Stromnetz sind inzwischen wieder in öffentlicher Hand. Nur die Fernwärmversorgung ist noch strittig.

Ein fauler Deal zwischen Senat und Vattenfall

Grund für das zähe Ringen ist ein Vertrag aus dem Jahr 2012. „Unser Hamburg – Unser Netz“ sammelte gerade Unterschriften, der politische Druck stieg. Doch Vattenfall wollte das profitable Wärmenetz nicht verkaufen – und die damals regierende SPD scheute die Investition. VertreterInnen des Unternehmens und des Senats setzten sich an einen Tisch und wurden sich einig. Für 325 Millionen Euro kaufte die Stadt 25,1 Prozent am Wärmenetz und erhielt damit eine Sperrminorität bei Entscheidungen über dessen Ausbau. Mit ihr ließ sich allerdings ein Umbau auf Öko-Wärme nicht durchsetzen.

Zurück im Jahr 2018 rächt sich der faule Deal mit Vattenfall. Der SPD-Senat hatte dem Konzern 2014 für den Fall eines Rückkaufs mindestens 625 Millionen Euro für die restlichen 74,9 Prozent zugesichert. Ein unabhängiges Gutachten kam nun allerdings auf einen Wert von gerade einmal 484 Millionen Euro. Die Stadt müsste den vereinbarten Mindestbetrag trotzdem zahlen – worin GegnerInnen des Rückkaufs einen Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung sehen. Allerdings ist der Staat laut Gesetzgebung nicht nur betriebswirtschaftlichen Interessen, sondern auch dem Gemeinwohl verpflichtet. Im Augenblick der Niederschrift dieses Berichts steht der Streit um den Kauf des Fernwärmenetzes kurz vor der Entscheidung.

Kein öffentlicher Boden mehr für Kohlewärme

Die InitiatorInnen von „Tschüss Kohle“ haben sich mit Hilfe einer auf Energierecht spezialisierten Anwaltskanzlei für beide möglichen Szenarien einen Hebel einfallen lassen. Entweder das Fernwärmenetz kommt zurück in die öffentliche Hand: Dann fließt darin ab 2026 keine Kohlewärme mehr. Ein klimafreundlicheres Alternativkonzept liegt schon in der Schreibtisch-Schublade des Hamburger Umweltsenators. Oder Vattenfall behält seine Mehrheit: Dann greifen gleich zwei rechtliche Instrumente, die die AktivistInnen im Gesetzesentwurf verankert haben.

Eine Änderung des Klimaschutzgesetzes würde die Stadt verpflichten, ihre Sperrminorität beim Ausbau der Netze so zu nutzen, dass ein Anschluss von Kohlekraftwerken an das Fernwärmenetz unterbunden wird. Konkret wäre das der Fall, wenn Vattenfall neue Leitungen zu seinem Mega-Kohlekraftwerk Moorburg bauen will. Der Konzern plant, die 2015 eingeweihte CO2-Schleuder nicht nur für die Stromproduktion zu nutzen, sondern zusätzlich an das Fernwärmenetz anzubinden. Die Investition soll sich schließlich lohnen, und zwar möglichst lange auch in Zukunft. Genau das soll die Gesetzesänderung verhindern. Zusätzlich abgesichert würde sie durch eine Änderung des Wegerechts. Es wäre künftig nicht mehr gestattet, öffentliche Flächen für den Bau von Wärmeleitungen zur Verfügung zu stellen, „wenn in diese Leitungen Wärme aus Kohleverbrennung eingespeist werden soll“.

Selbst wenn Vattenfall sich im Streit um die Fernwärme durchsetzt, säße der Konzern so einerseits auf Kohlewärme, die er nicht verkaufen kann – und andererseits auf Wärmenetzen, die er nicht damit befeuern kann. An der schmutzigen Energie festzuhalten, verlöre dadurch erheblich an Rentabilität. Vattenfall sollte sich also warm anziehen. Die Kohlekessel könnten bald kalt bleiben in Hamburg.

„Vattenfall hat im Frühjahr beantragt, das Kohlekraftwerk Moorburg an das Fernwärmenetz anschließen zu dürfen. Der Umweltsenator hat den Antrag als nichtig abgelehnt, weil die dafür zu bauende Leitung über das Grundstück eines öffentlichen Unternehmens geführt hätte. Unser Gesetzesentwurf wurde also schon umgesetzt, während wir gerade erst Unterschriften dafür sammelten.“
Wiebke Hansen
Ist Sprecherich von "Tschüss Kohle". Sie hofft, dass dieser Leitfaden viele Menschen ermutigen wird, die „machtvollen Instrumente“ der direkten Demokratie zu nutzen

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