Energie
Stadtwerke zu Ökostrom-versorgern machen
Viele Stadtwerke entpuppen sich bei genauem Hinsehen als Fossile unter grünem Lack. Es wird Zeit, sie per Bürgerbegehren auf hundert Prozent Ökostrom zu verpflichten.
Die über tausend Stadt- und Gemeindewerke in Deutschland scheinen längst im postfossilen Zeitalter angekommen zu sein – zumindest, wenn es nach ihren eigenen Beteuerungen geht. Tatsächlich aber bieten nur wenige von ihnen hundert Prozent ökologisch erzeugten Strom an und bringen die lokale Energiewende mit ambitionierten Projekten voran. Viele Stadtwerke haben in fossile Anlagen investiert oder hübschen ihren Energiemix mit Ökostrom-Zertifikaten auf, liefern aber in Wirklichkeit hauptsächlich Atom- und Kohlestrom an ihre Kund:innen.
Dabei haben gerade Stadt- und Gemeindewerke aufgrund ihrer regionalen Verankerung und ihrer Ausrichtung am Gemeinwohl beste Voraussetzungen, um vor Ort erneuerbare Energien aktiv auszubauen. Bei kommunalen Stadtwerken bestimmt der Stadt- oder Gemeinderat die Geschäftspolitik mit. Deshalb können wir mit direkter Demokratie unsere Stadtwerke zum Ökostromversorger machen.
„Stadt- und Gemeindewerke können den Wandel zu einer klimafreundlichen, demokratischen und sozialen Energieversorgung in ihrer Region durchführen. Diese Chance sollten sie nutzen.“
Zunächst werfen wir einen kritischen Blick hinter die Kulissen der grünen Marketingbotschaften unserer Stadtwerke – und dann, sobald wir die fossilen Altlasten identifiziert haben, starten wir unser Bürgerbegehren für hundert Prozent kommunalen Ökostrom. Wie das geht, hat die Klimawende Köln vorgemacht. Die passende Abstimmungsfrage steht am Ende der Seite.
Den Strommix der Stadtwerke durchleuchten
Stromversorgungsunternehmen sind nach §42 Energiewirtschaftsgesetz verpflichtet, den Anteil der einzelnen Energieträger an ihrem Gesamt-Energiemix sowie für ihre unterschiedlichen Stromtarife anzugeben. Diese „Stromkennzeichnung“ veröffentlichen die Energieversorger auf ihrer Internetseite, üblicherweise in Form eines Tortendiagramms.
Auf diese Weise erhalten wir einen ersten Überblick, wie viel Strom aus Atomkraft oder fossilen Energien unsere Stadtwerke an ihre Kund:innen verkaufen. Allerdings bietet die Stromkennzeichnung allein noch keine aussagekräftige Information über das Engagement der Stadtwerke für die Energiewende. Folgende Hinweise helfen, Licht in die teils irreführenden Angaben zum Strommix zu bringen:
Erneuerbare Energien, finanziert aus der EEG-Umlage
Dieser Posten taucht bei allen Energieversorgern auf. Mit der EEG-Umlage finanzieren alle Stromverbraucher:innen den Ausbau klimafreundlicher Erzeugungsanlagen über ihre Stromrechnungen, nur einige Großverbraucher sind davon befreit. Der EEG-Umlage-Anteil im Strommix bedeutet nicht, dass der Energieversorger diesen Ökostrom tatsächlich einkauft oder erzeugt und so die Energiewende voranbringt, sondern er ermittelt sich nach dem Anteil seiner Kund:innen, die EEG-Umlage zahlen. Je weniger umlagebefreite Großverbraucher sich darunter befinden, desto höher ist er. Mit dem Engagement unserer Stadtwerke für mehr grünen Strom hat dieser Wert also gar nichts zu tun. Dass kommunale Energieversorger ihn in ihrem Strommix abbilden müssen, lässt sie auch dann schön grün aussehen, wenn sie einen fossilen Kraftwerkspark haben oder in erster Linie Strom unbekannter Herkunft an der Börse einkaufen – also vor allem Atom- und Kohlestrom vertreiben.
Wie hoch ist der Anteil fossil erzeugten Stroms wirklich?
Wir können den EEG-Umlage-Anteil aber ganz einfach herausrechnen, um so den tatsächlichen Strommix zu erhalten. So berechnen wir beispielsweise den realen Anteil an Kohlestrom:
- 100 minus der EEG-Umlage-Anteil
- Den Anteil des Kohlestroms durch das Ergebnis von 1 teilen
- Multiplizieren mit 100
Dasselbe Rechenprinzip funktioniert auch, um den Anteil fossiler Energieträger insgesamt, von Atomstrom oder den „Sonstigen Erneuerbaren Energien“ zu berechnen, wenn wir dafür den entsprechenden Wert im zweiten Schritt einsetzen. Gegebenenfalls ist ein weiterer Rechenschritt nötig: die Addition der Energieträger, deren realen Anteil im Strommix wir ermitteln wollen.
Beispiel: Der Strommix der Pfalzwerke
- 43 Prozent Erneuerbare Energien, finanziert durch die EEG-Umlage
- 27 Prozent Kohle
- 15 Prozent Atomkraft
- 8 Prozent Erdgas
- 6 Prozent Sonstige erneuerbare Energien
- 1 Prozent Sonstige fossile Energieträger
Wie hoch ist der Anteil fossil erzeugten Stroms im Strommix der Pfalzwerke?
- 27 + 8 + 1 (Summe aller fossilen Energieträger) = 36
- 100 – 43 (EEG-Umlage-Anteil) = 57
- 36 / 57 = 0,63
- 0,63 * 100 = 63
Der von den Pfalzwerken vertriebene Strom ist zu 63 Prozent, also zu fast zwei Dritteln fossil erzeugt.
Sonstige Erneuerbare Energien
Die meisten Energieversorger weisen zusätzlich „sonstige erneuerbare Energien“ aus. Aber auch dieser Strom ist noch nicht in jedem Fall echter Ökostrom. Für Strom aus Erneuerbaren, der nicht aus der EEG-Umlage finanziert wird, sind Herkunftsnachweise verpflichtend. Die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen können sich diese Zertifikate je erzeugte Kilowattstunde ausstellen lassen. Anschließend steht es ihnen frei, sie EU-weit zu verkaufen – ohne den tatsächlich erzeugten Ökostrom mitzuliefern.
Wenn ein Stadtwerk solche Nachweise kauft, darf es fortan „Ökostrom“ vertreiben. Das gilt auch dann, wenn seine Kund:innen weiter an der Strombörse erworbenen – größtenteils fossil oder atomar erzeugten – „Graustrom“ von ihm bekommen. Die Ökostrom-Erzeuger, häufig alte Wasserkraftwerke aus Skandinavien, speisen dagegen nominell plötzlich Kohle- und Atomstrom in die Leitungen. Es findet also nur ein Tausch statt, während sich am Strommix insgesamt nichts ändert. Da das Angebot an regenerativ erzeugtem Strom europaweit bislang größer ist als die Nachfrage, sind die Zertifikate spottbillig. 0,1 bis 7 Cent kostet das Umetikettieren. Der grün angemalte Ökostrom kostet dann zwischen 4 und 4,7 Cent pro Kilowattstunde, also etwa 1,5 bis 2 Cent weniger als echter Ökostrom. Für die Energiewende ist damit nichts gewonnen.
Wo kommt der Strom her?
Nun wissen wir, wieviel fossil erzeugten Strom unsere Stadtwerke vertreiben. Entscheidend ist aber auch, woher sie ihren Strom beziehen. Echte Öko-Stadtwerke produzieren ihren Strom regenerativ in eigenen Anlagen vor Ort. Manche Energieversorger weisen im Strommix darauf hin, welcher Anteil des Ökostroms aus eigener Produktion stammt. Darüber hinaus lohnt es sich, die Homepage oder den Geschäftsbericht danach zu durchsuchen, ob der Energieversorger in eigene Anlagen investiert und sich ambitionierte Ziele für den weiteren Ausbau setzt.
Kleine Stadtwerke verfügen meist nicht über ausreichend eigene Kraftwerke, um die verkaufte Menge Strom selbst zu erzeugen. Sie kaufen ihn in der Regel ein und schließen dafür häufig sogenannte Direktlieferverträge. Diese Verträge haben oft Laufzeiten von etwa 20 Jahren und müssen ausgeschrieben werden. Größere kommunale Energieversorger betreiben dagegen in der Regel eigene Kraftwerke. Meist handelt es sich um einen bunten Kraftwerksmix, wobei die Informationen zu fossilen Anlagen oft gut in den Geschäftsberichten versteckt sind.
Vertragslaufzeiten checken!
Ein Auslaufen oder die Kündigung eines Strom-Liefervertrags bietet die Gelegenheit, die Versorgung auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen. Welchen Strom die Stadtwerke beziehen und wie lange die entsprechenden Verträge noch laufen, können wir bei uns bekannten Stadträt:innen oder bei den Stadtwerken selbst in Erfahrung bringen.
Wo steckt das Geld der Stadtwerke?
Energieversorger treten häufig auch als Investoren auf. Im Beteiligungsbericht der Stadt steht, an welchen Unternehmen ein Stadtwerk beteiligt ist. Oft sind das fossile Konzerne oder Kraftwerksbetreiber. Viele dieser Investitionen sind nicht nur klimaschädlich, sondern zunehmend auch ein finanzielles Risiko für die Kommunen – die wegen Beteiligungen an unrentablen Kohlekraftwerken möglicherweise ohnehin bereits Verluste schreiben. Beispielsweise ist die RheinEnergie AG, der kommunale Energieversorger für Köln und Umgebung, an einem Kohlekraftwerk für die Wärmeversorgung im fernen Rostock beteiligt – und fährt damit kräftig Verluste ein.
Hat der Ökostrom ein Gütesiegel?
Expert:innen prüfen regelmäßig im Auftrag eines Energieversorgers, wie grün dessen Strom wirklich ist. Wenn es sich dabei nicht um eine Mogelpackung handelt, vergeben sie ein Gütesiegel. Die Verbraucherzentrale und Umweltverbände empfehlen das „ok-power“-Siegel und das „Grüner Strom“-Label für Ökostromtarife. Beide garantieren, dass der Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen stammt. Das „Grüner Strom“-Label verlangt, dass Herkunftsnachweise für Ökostrom aus Kraftwerken stammen, mit denen der Energieversorger auch Stromlieferverträge abgeschlossen hat. Das verhindert das bereits beschriebene Umetikettieren von Graustrom. Beide Siegel erlauben keine Beteiligung an Atom- oder Kohlekraftwerken und stellen sicher, dass der Stromanbieter in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert. Dazu garantieren beide Siegel, dass die Anbieter einen Beitrag zur Energiewende leisten, der über die gesetzliche Förderung hinausgeht: das ok-Power-Label etwa durch den Bau neuer Anlagen, beim „Grüner Strom“-Label erfolgt das über festgelegte Beiträge pro verkaufter Kilowattstunde.
Ein grüner Stromversorger…
- … bietet nur Ökostrom an.
- … setzt sich eine steigende Ökostrom-Eigenversorgungsquote zum Ziel.
- … bezieht seinen Ökostrom direkt von Produzent:innen oder Händler:innen.
- … baut eigene Erneuerbare-Energien-Anlagen.
- … zertifiziert seinen Ökostrom mit einem Label.
- … unterstützt Mieterstromprojekte und pachtet Dachflächen für den Solarausbau
Per Bürgerentscheid zur Ökostromkommune
Nun, da wir wissen, wie weit unsere lokalen Stadtwerke vom Ziel 100 Prozent erneuerbarer Energien entfernt sind, wird es interessant. Per Bürgerbegehren können wir die Stadtwerke dazu verpflichten, die – in vielen Fällen gewaltige – Lücke bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu schließen.
Die folgende, juristisch geprüfte Frage hat die „Klimawende Köln“ für ein solches Bürgerbegehren verwendet. Sie lässt sich aber auch auf andere Städte und Gemeinde übertragen, sofern es dort ein kommunales Stadtwerk gibt. Die Formulierung sorgt dafür, dass die Stadtwerke ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch echten Ökostrom vertreiben dürfen. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass die Stadtwerke tatsächlich in die Energiewende investieren und sie so tatkräftig vor Ort mitgestalten. Das können sie, indem sie selbst durch das EEG geförderte Ökostromanlagen bauen. Alternativ können sie Stromabnahmeverträge mit Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen schließen. Handelt es sich um Anlagen, die nach 20 Jahren aus der Förderung durch das EEG fallen (sogenannte Post-EEG-Anlagen), sichern die Stadtwerke so ihren wirtschaftlichen Weiterbetrieb. Oder sie ermöglichen durch die Stromabnahme den Bau von neuen Anlagen ohne staatliche Förderung und damit zusätzlich zu den durch das EEG vorgegebenen Kontingenten. Durch den Zusatz „veröffentlichte Anlagen“ stellen wir dabei sicher, dass wir auf der Homepage des Stadtwerks transparent nachverfolgen können, aus welchen Anlagen der Strom kommt.
„Soll die Stadt … im Rahmen ihrer Unternehmensbeteiligungen darauf hinwirken, dass die Stadtwerke … (und deren Tochterunternehmen) spätestens ab … nur Strom aus erneuerbaren Energien liefern, wobei sie diesen selbst in eigenen Anlagen produzieren, im Rahmen von Stromlieferverträgen aus veröffentlichten Anlagen erwerben oder im Rahmen von Mieterstrommodellen zur Verfügung stellen?“
Ist der Energieversorger eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), reicht eine einfache kommunale Mehrheit von 50,1 Prozent in der Gesellschafterversammlung, damit die Stadt die Forderung unseres Bürgerbegehrens erfüllen kann. Sie kann in diesem Fall den Stadtwerken Anweisung erteilen, ab dem von uns vorgeschlagenen Zeitpunkt nur noch Ökostrom zu vertreiben. Handelt es sich um eine Aktiengesellschaft (AG), müssen wir eine Änderung der Satzung erwirken. Dazu brauchen wir eine städtische Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals.
Da Strom in den meisten Anlagen gemeinsam mit Wärme erzeugt wird, wirkt sich ein solches Bürgerbegehren indirekt auch auf die kommunale Fernwärmeversorgung aus. Denn wenn die Stadtwerke den Strom ihrer fossilen Kraftwerke nicht mehr liefern und verkaufen dürfen, werden diese unrentabel – auch als Wärmequellen. Das kann zum Startschuss für den Aufbau einer neuen, regenerativen Wärmeversorgung werden.
Einige Stadtwerke, die sich – direkt oder indirekt – in kommunaler Hand befinden und bei denen sich ein Bürgerbegehren lohnen würde, stehen in den Steckbriefen auf den folgenden Seiten. Das sind aber nur ein paar wenige Beispiele. Insgesamt gibt es in Deutschland weit über 1000 Stadtwerke – die große Mehrheit davon sind noch keine reinen Ökostromanbieter. Es lohnt sich also in jedem Fall, den kommunalen Energieversorger vor Ort zu durchleuchten.
Dortmunder Stadtwerke
Eigentümerstruktur:
Stadt Dortmund -> 100 % Dortmunder Stadtwerke Holding GmbH -> 61,1 % Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH
Realer Strommix:
70 Prozent fossil, 20 Prozent Atom
Anlagen
Kaum eigene Erneuerbare-Energien-Anlagen; kaum eigene Produktion von Wärme; die eingekaufte Wärme wird zu 85 Prozent aus Erdgas erzeugt
Beteiligungen
Größter kommunaler Anteilseigner an RWE- und STEAG-Aktien
Stadtwerke Erfurt
Eigentümerstruktur:
Stadt Erfurt -> 100 % SWE Stadtwerke Erfurt GmbH -> 61 % SWE SWE Energie GmbH
Realer Strommix:
80 Prozent fossil
Anlagen
Kaum Erneuerbare; 100 Prozent des Fernwärmebedarfs und ein Großteil des Strombedarfs der Stadt wird durch KWK-Anlagen erzeugt, hauptsächlich mit Erdgas
Stadtwerke München
Eigentümerstruktur:
Stadt München -> 100 % Stadtwerke München GmbH
Realer Strommix:
Ein Drittel fossil, 10 Prozent Atom
Anlagen:
Drei große Heizkraftwerke, die hauptsächlich mit Erdgas betrieben werden; im größten Block des Heizkraftwerks Nord wird Steinkohle verbrannt; mehrere kleine Blockheizkraftwerke
Beteiligungen:
Mehrere Gasversorger und Betreiber von Gasnetzen; 31 Prozent am Öl- und Gasförderer Spirit Energy
Stadtwerke Potsdam
Eigentümerstruktur:
Stadt Potsdam -> 100 % Stadtwerke Potsdam GmbH -> 65 % Potsdamer Energie und Wasser GmbH
Realer Strommix:
Etwa 40 Prozent fossil, 60 Prozent umetikettierter Ökostrom
Anlagen:
Ein großes Heizkraftwerk und ein Heizwerk, beide mit Erdgas betrieben; mehrere Blockheizkraftwerke; keine eigenen regenerativen Anlagen; Ökostrom nur per Zertifikathandel
Stadtwerke Würzburg
Eigentümerstruktur:
Stadt Würzburg -> 100 % Würzburger Verkehrs- und Versorgungs GmbH -> 56,82 % Stadtwerke Würzburg AG (weitere 20,45 % hält die Stadt direkt) -> 59,03 % Heizkraftwerk Würzburg GmbH
Realer Strommix:
60 Prozent fossil, 10 Prozent Atom
Anlagen:
Ein Gas-Heizkraftwerk, das fast 80 Prozent des Stroms liefert; zwei Heizwerke (Erdgas und Heizöl); ein BHKW (Erdgas)
Beteiligungen:
8,33% am Gasversorger enPlus eG
ENERGIE
- Stadtwerke zu Ökostromversorgern machen
- Wärmewende starten
- Die Sonne reinlassen
- Energieversorgung zurückerobern
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